Starkregenereignisse - Herausforderung für Wegscheid
Kein Zweifel, der Klimawandel macht um Wegscheid keinen Bogen. So erfreulich milde Winter sind, so folgenreich können verstärkt auftretende Starkregenereignisse sein. Den Kopf in den Sand zu stecken oder die Verantwortung allein den Hausbesitzern zuzuschieben ist keine Lösung. Die Gemeinde ist gefordert, auch wenn das Bürgermeister Lothar Venus nicht gefallen mag. Die Bayerische Klimaanpassungsstrategie (BayKLAS) formulierte bereits 2016 unmissverständlich: Den Kommunen kommt als Trägern der kommunalen Planungshoheit eine große Verantwortung für Planung und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel zu.
4.9, S. 38
In Wegscheid häuften sich in den letzten Jahren Starkregenereignisse, die etwa einem stärkeren Gewitter entsprechen (20-35 l/m² in sechs Stunden). Es gab aber auch markante Starkregenereignisse im Sommer des Vorjahres (35-60 l/m² in sechs Stunden) und es ist nicht auszuschließen, dass es auch zu extremen Starkregen (>60 l/m² in sechs Stunden) kommen wird.
Nicht jeder Starkregen ist schon eine Naturkatastrophe und entsprechend lassen sich mittels effektiver Gefahren- und Risikoabwägung Vorkehrungen treffen, um Schäden so gering als möglich zu halten. Hier ist insbesondere neben Hauseigentümer*innen die Gemeinde Markt Wegscheid in der Pflicht.
Erforderliche Analysen
Analysen zur Schadensgefährdung durch Starkregenereignisse
- Gibt es eine ausreichende Gefahrenanalyse für Wegscheid?
- Sind potenzielle Risikobereiche identifiziert?
- Gibt es eine Analyse der Bebauungsstruktur und Infrastruktur?
- Gibt es eine Analyse des Entwässerungssystems?
- Gibt es eine Analyse der Überlastung des Kanalsystems?
- Ist die Bauleitplanung den veränderten Verhältnissen angepasst worden?
Ergebnis nach Rückfragen und Recherchen: Bezogen auf den Klimawandel und zur Abwehr von Starkregenereignisse gibt es in der Gemeinde Markt Wegscheid keine einschlägigen Analysen. (Siehe Brief an die Gemeinde und Antworten dazu.) Stand 2.März 2022
Analysen zum Krisenmanagement?
Gibt es für den Fall von extremen Starkregenereignissen oder heftigem Dauerregen
- einen funktionierenden Krisenplan?
- ein Früherkennungs- und Präventionsmanagement?
- einen vereinbarten Krisenstab?
- eine klare Strategie für die Krisenkommunikation?
Ergebnis nach Rückfragen und Recherchen: Die Gemeinde Markt Wegscheid teilt dazu lakonisch mit, dass eine enge Zusammenarbeit mit den Freiwilligen Feuerwehren des Marktes Wegscheid gegeben sei. (Siehe Brief an die Gemeinde und Antworten dazu.) Mit anderen Worten, es darf begründet davon ausgegangen werden, dass für die Gemeinde selbst die angeführten Fragen wohl verneint werden müssen.
Wissen die Einwohner*innen
- an wen sie sich akut um Hilfe wenden können, sofern Grund und Haus überschwemmt werden (24/7)?
- ob sie in einem Risikobereich wohnen?
- welche Präventionsmaßnahmen sie selbst zum Schutz ihrer Häuser treffen können und sollten?
- wo sie sich informieren können?
(Das Beste wäre hier eine gut gemachte Webseite der Gemeinde; Bürgerservice mit entsprechenden Kategorien)
Handlungsperspektiven
Regulierung über Bauleitplanung
Das wichtigste Werkzeug der Kommunen für die Entwicklung und Umsetzung eines umfassenden Konzepts zur Starkregenvorsorge ist die Bauleitplanung. Da zentrale Grundsätze bei der Aufstellung von Bauleitplänen gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse sowie die Sicherheit der Bevölkerung sind (§ 1 Abs. 5 BauGB), muss die Bauleitplanung auch Vorsorge gegenüber Starkregenereignissen treffen. Mit der Novellierung des BauGB von 2011 wurden die Belange der Klimaanpassung – also auch der Starkregenvorsorge – durch die sogenannte Klimaschutzklausel im § 1a Abs. 5 BauGB bei der planungsrechtlichen Abwägung gestärkt.
- Darstellung von Starkregenrisiken im Flächennutzungsplan
- Darstellung von Starkregenrisiken im Bebauungsplan (siehe dazu §9 Abs. 5 Z 1 BauGB)
Auch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz und das Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr weisen in Ihrer Arbeitshilfe „Hochwasser- und Starkregenrisiken in der Bauleitplanung” auf Verpflichtungen der Gemeinden hin, dass Kommunen die Verantwortung nicht auf Betroffene abwälzen können:
Diese gesetzlichen Verpflichtungen für den Staat sowie die Kommunen bedeuten aber nicht, dass alle Risiken von den Betroffenen ferngehalten werden müssen. Dies wäre auch technisch nicht möglich. Allerdings müssen die Risiken soweit reduziert sein, dass die verbleibenden Hochwasserrisiken vom Einzelnen und der Gesellschaft getragen werden können. Die Städte und Gemeinden müssen diese Risiken bei der Erarbeitung von Bauleitplänen und im Rahmen der Abwägung berücksichtigen.
Eine Nagelprobe, ob die Gemeinde Markt Wegscheid den Handlungsbedarf erkannt hat und an einer Umsetzung arbeitet, wird die Änderung des Bebauungsplans zu den Gründen der ehemaligen Evangelisch-lutherischen Kirche zeigen, wo ein groß dimensioniertes Bauvorhaben in Hanglage große Flächen versiegeln, bzw. den Boden verdichten wird.
Ebenso brisant ist die Umwidmung von Grünland in Bauland und Ausweisung eines exponierten neuen Baugebietes zwischen Kläranlage und Sportplatz (Ameisbergblick-Süd). Hier sollen 24 Parzellen mit einer Größe von ca. 710-1.568 m² geschaffen werden, für Ein- und Mehrfamilienhäuser. Im Gemeindebrief werden in diesem Zusammenhang Geruchsgutachten und Schallschutzgutachten erwähnt. Ein Klimagutachten dürfte es nicht gegeben haben.
Hohes Überschwemmungsrisiko durch Bodenversiegelung Durch den Bau des Seniorenzentrums in Wegscheid, Adalbert-Stifter Straße, werden rund 4.000 Quadratmeter Grund in Hanglage mehr oder weniger versiegelt. Weder der Bauherr, die Schellmann Unternehmensgruppe, noch die Marktgemeinde äußern sich zur Frage, welche konkreten Maßnahmen zum Regenwassermanagement getroffen werden. Es wird befürchtet, dass die Fälle von Überschwemmungen in Wohnhäusern und auch ihre Intensität stark zunehmen werden. Wer wird für Schäden aufkommen, die durch mögliches Missmanagement entstehen werden? Mehr lesen...
Rechtliche Möglichkeiten im Bereich der Bauleitplanung
Das BauGB räumt in §9 den Kommunen weitgehende Möglichkeiten ein, im Zuge des Bebauungsplans, bzw. einer Bebauungsplanänderung wirksame Vorgaben zu beschließen.
Für die Bebauungsplanänderung der FlNrn 437/2, 437/5, Ebenäcker, kämen beispielsweise in Betracht:
- §9 Abs. 1 Z 2a BauBG erlaubt vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen
- Nach §9 Abs. 1 Z 14 BauBG können Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen vorgeschrieben werden (Regenwassermanagement)
- Nach §9 Abs. 1 Z 16 lit c BauBG können Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen festgesetzt werden, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen
- Nach §9 Abs. 1 Z 16 lit d BauBG können die Flächen bestimmt werden, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen
- Nach §9 Abs. 1 Z 25 BauBG lässt sich eine Pflicht zur Begrünung von Dächern mit entsprechend effektiver Regenwasserretention vorschreiben.
- Für die konkrete Situation wären nach §9 Abs. 1 Z 26 auch Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind, festzulegen.
Weitere mögliche und in Leitfäden empfohlene Maßnahmen
- Fließwege freihalten
- sachgerechte Positionierung der Straßeneinläufe und der straßenbegleitenden Rasenmulden (zB Gullys)
- Einsatz leistungsstarker Einläufe
- Hintereinanderreihung mehrerer Einläufe in Fließrichtung
- Straßenentwässerung und sachgemäße oberflächige Wasserführung
was insbesondere auch nach Straßensanierungsarbeiten zu beachten wäre! - Bordsteine an gefährdeten Stellen erhöhen
- wasserdurchlässige Befestigungen bzw. Entsiegelung von Flächen sicherstellen
- eine Begrenzung der zulässigen Einleitwassermengen von Regen- und Oberflächenwasser in die Kanalisation (Zuflussdrosselung, Abflussverzögerung)
- dezentraler Regenwasserrückhalt in Mulden, Zisternen, Rigolen o. Ä. (mit Auslegung der Speichervolumina auf möglichst seltene Starkregenereignisse)
- Schaffung von Notentlastungsstellen, über die das Wasser auf Freiflächen etc. abgeleitet wird
- Rückhalteräume einplanen
- Flutmulden anlegen
- oder überflutungsgefährdete Bereich gänzlich von Bebauung freihalten
- Anlage eines parallelen Straßengrabens mit Einlaufbauwerk, Geröllfang
- …
Bürgerbeteiligung ist unumgänglich
Auf Bürgerbeteiligung als wesentlichen Aspekt im Bereich Prävention verweist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Referat II 5 – Baulicher Bevölkerungsschutz, Wassersicherstellung:
Unabhängig von einzelnen Schutzmaßnahmen ist grundsätzlich hervorzuheben, dass es für Kommunen und Behörden heute unumgänglich ist, die Bürger immer und frühzeitig in die Planung zu integrieren, Transparenz in den Entscheidungsprozessen zu erzeugen und im besten Fall die Umsetzung von Maßnahmen gemeinsam zu realisieren.
Was wird konkret zum Schutz der Einwohner unternommen?
Auf der Webseite der Gemeinde Markt Wegscheid findet man keinerlei Hinweise zu Starkregen, Gefährdungs- und Risikobewertung für Wegscheid, auch nicht für andere Ortsteile.Stand 13.2.2022 Es ist daher zunächst nicht festzustellen, ob sich Bürgermeister Lothar Venus, Markträte und Gemeindeverwaltung mit dem Thema entsprechend auseinandergesetzt haben, ob Analysen vorliegen und davon abgeleitete Handlungsstrategien.
Es ist nicht davon auszugehen, dass gar nichts passiert, immerhin wurden 2021 Teile der Kanalisation in Wegscheid erneuert, aber ob dahinter mittel- und langfristige Pläne auf Grundlage von Analysen stehen, das liegt im Dunkeln und darf durchaus bezweifelt werden. Als Grund- und Hausbesitzer in Wegscheid ist mir nichts dergleichen bekannt, ausgenommen ein Hinweis auf Eigensicherung und Verhalten nach einer Überschwemmung durch die Hauseigentümer (Gemeindebrief 2019/02).
Am 25. Januar wurden diese Fragen an den Bürgermeister der Gemeinde Markt Wegscheid, Lothar Venus, via E-Mail gestellt. Den Brief mit den Fragen und die Antworten dazu finden Sie unter: Hat die Gemeinde Markt Wegscheid eine Unwetter- bzw. Starkregenstrategie?
Es darf bezweifelt werden, dass die Gemeinde Markt Wegscheid die Herausforderungen durch den Klimawandel effektiv im Blick hat.
Starkregenereignisse der vergangenen Jahre
Die Aufzeichnungen von Starkregenereignissen (> 20 l/m²) in Wegscheid erfolgten durch den Deutschen Wetterdienst (DWD)
2020 | l/m² | |
28. Jun. | 33,0 | |
10. Jul. | 42,7 | |
25. Sep. | 33,8 | |
26. Sep. | 36,7 | |
29. Okt. | 27,5 | |
2021 | ||
1. Mai. | 26,0 | |
12. Mai. | 25,2 | |
13. Mai. | 26,6 | |
5. Jun. | 49,6 | |
21. Jun. | 20,1 | |
24. Jun. | 49,5 | |
16. Aug. | 20,1 | |
2022 | 5. Jun | 37,0 |
24. Jun | 58,2 | |
28. Jun | 39,6 | |
29. Jun | 21,0 | |
4. Jul | 37,4 |
Hinweise
Es gibt eine Reihe sehr hilfreicher Leitfäden zum kommunalen Management von Starkregenereignissen und Sturzfluten. Auch das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) wird im Sommer 2022 einen solchen Leitfaden veröffentlichen, ebenso eine Starkregen- Sturzfluten Gefährundskarte, aus der im Maßstab 1:16000 auch auf lokaler Ebene anhand von Geodaten Gefährdungsszenarien ersichtlichen werden - jedenfalls ein guter Einstieg für die Gemeinden, um ein Klimaanpassungskonzept zu beginnen.
Literaturempfehlungen (insb. für Bürgermeister und Gemeinderäte):
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) (/Hrsg.) (2021): Instrumente zur Klimaanpassung vor Ort. Eine Arbeitshilfe für Kommunen in Bayern. URL Download der Arbeitshilfe: https://www.bestellen.bayern.de/shoplink/stmuv_klima_016.htm
Umweltbundesamt (/Hrsg.) (2022): Klimarisikoanalysen auf kommunaler Ebene. Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der ISO 14091. URL Download: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/2022_uba-fachbroschuere_kra_auf_kommunaler_ebene.pdf
Veranstaltungen:
Auf folgende Veranstaltungen haben wir den Bürgermeister der Gemeinde Markt Wegscheid per E-Mail aufmerksam gemacht. In seiner Antwort teilt Lothar Venus am 29.3.22 mit, dass die betroffenen Abteilungen und Mitarbeiter*innen auf dem aktuellen Stand seien und ein enger Kontakt mit den Fachbehörden und Ministerien bestehe. Venus folgert: Da wir in sehr engem Austausch mit den Fachbehörden sind, bei denen wir speziell unsere Herausforderungen in der Gemeinde Wegscheid besprechen, ist ein Großteil der Informationen aus diesen allgemein gehaltenen Schulungen und Tagungen bereits bei uns angekommen.
— Eine Aussage, die man mit Erstaunen und Verwunderung zu Kenntnis nimmt.
Datum | Titel | Veranstalter | Ort | Link |
15.3.2022, 8.45-13 Uhr | Online-Auftakt der Kommunalen Klimaanpassungsdialoge | Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) | Online | abgelaufen |
7.4.2022 | Seminar „Starkregenvorsorge – Maßnahmen und Finanzierung“ | Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Bayerischer Gemeindetag | Nürnberg | abgelaufen |
2.6.2022, 9.30-16.30 Uhr | „Instrumente der Klimaanpassung in der Siedlungsentwicklung“ | Bayerischen Gemeindetag GmbH | Altes Stadttheater Eichstätt, Residenzplatz 17, 85072 Eichstätt | abgelaufen |
12.7.2022 | Kommunale Klimaanpassungsdialoge | Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) | Regensburg, TechBase, Franz-Mayer-Str. 1 |
08:30 - 16:00 Uhr |
15.9.2022 | Wirksame Maßnahmen, planungsrechtliche Instrumente und Förderungen mit Fokus auf Hitze- und Starkregenvorsorge und deren Umsetzung in der kommunalen Praxis | Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU) | Online Veranstaltung |
Online, von 9 bis 11 Uhr Weitere Informationen: LENK KOMMUNity – Information und Vernetzung (bayern.de).
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ceterum censeo …
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