Hohes Überschwemmungsrisiko durch Bodenversiegelung
Durch den angekündigten Bau des Seniorenzentrums in der Adalbert-Stifter-Straße in Wegscheid steht zu erwarten, dass rund 4.000 Quadratmeter Grund in Hanglage mehr oder weniger versiegelt beziehungsweise bodenverdichtet werden. Werden seitens der Bauherrin, der Schellmann Unternehmensgruppe, nicht umsichtige Maßnahmen zum Regenwassermanagement getroffen, wie beispielsweise Rückhaltebecken, Versickerungsanlagen oder einer effektiven Dachbegrünung mit entsprechend hohem Wasserrückhalt, so ist zu erwarten, dass große Mengen Oberflächenwasser den Hang hinunter, in die Kanalisation der Adalbert-Stifter-Straße oder direkt in die Keller von Nachbarn fließen und dort für Überschwemmungen in der Siedlung sorgen werden - selbst bei Häusern, die bislang davon nicht betroffen waren.

Die Einleitung des Oberflächenwassers in die Kanalisation wäre die wohl denkbar schlechteste Lösung. Allem Anschein nach, sollen aber „die bestehenden Abwasserleitungen” genutzt werden. In welchem Ausmaß das das Niederschlagswasser eingeleitet wird, ist nicht bekannt. Die bestehende Kanalisation ist schon derzeit bei stärkerem Regen offenbar nicht mehr in der Lage, größere Wassermengen zu bewältigen. Niederschlagswasser läuft bereits bei mittlerem Regen die Adalbert-Stifter-Straße herunter. Dazu kommt, dass Gullys teilweise eingesunken oder falsch gesetzt sind - was die Gemeindeverwaltung Wegscheid allerdings zurückweist - (siehe Gully). Regenrinnen sind teilweise nicht gepflegt und zugewuchert. Gullys sind zudem mit Blick auf das starke Gefälle der Straße in zu geringer Anzahl gesetzt, um das Wasser effektiv aufnehmen zu können.
Das Wasser fließt bereits jetzt bei Starkregen die Adalbert-Stifter-Straße hinunter, weiter über die Ameisbergstraße, die Pfarrer-Schwarzbauer-Straße und dringt in Wohnhäuser ein und überschwemmt deren Keller. Und da ist häufig noch gar nicht von außergewöhnlichem Starkregen die Rede. Wenn hier noch das Niederschlagswasser des versiegelten Areals eines künftigen Seniorenzentrums dazu käme, würden schon stärkere Regenschauer zu Überschwemmungen führen, von den Folgen bei Starkregenereignissen ganz zu schweigen.
Mangelnde Auskunft seitens Schellmann Unternehmensgruppe
Dem Vorbehalt der großflächigen Bodenversiegelung begegnet die Schellmann Unternehmensgruppe mit dem Hinweis begrünter Flachdächer, ohne dabei allerdings nähere Informationen dazu zu liefern. Ebenso verhält es sich mit weiteren Andeutungen weiterer Maßnahmen zur Regenrückhaltung. Was fehlt: konkrete, nachvollziehbare und verlässliche Angaben, Auskünfte und Zusicherungen.
Ein Versagen der Gemeinde?
Ist die alte Kanalisation überfordert?
Von wann die Kanalisation datiert, kann die Gemeindeverwaltung selbst nicht sagen. Sie hat dazu keine Aufzeichnungen mehr. Soweit in Erfahrung zu bringen war, stammt die Kanalisation in der Adalbert-Stifter-Straße, der Mühlgasse und der Ameisbergstraße aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Sie war damals unter ganz anderen Bedingungen geplant worden.
In die Jahre gekommen ist sie, wenngleich die Gemeinde in einer Anfragebeantwortung mitteilte, dass 2020 in Folge einer so genannten TV Befahrung die aufgezeigten Schäden behoben und die Kanalisation „renoviert” wurde. Der Rohrdurchmesser der Kanalisation beträgt 25cm. Eine Dimensionsanpassung sei selbst nach 60 Jahren und reger Bautätigkeit nicht in Planung. Schreiben vom 21.09.2021
Nun kommt die durch den Klimawandel verursachte Häufung von Starkregenereignisse hinzu. Allein im Juni 2021 gab es zwei „außergewöhnliche Starkregenereichniss” (nach Starkregenindex SRI).
Am 24. Juni gingen über Wegscheid 49,5 l/m² Regen nieder Das ist ein außergewöhnliches Starkregenereignis. Kein Wunder, dass die schon bei normalem Gewitterregen schwächelnde Kanalisation nun völlig überfordert war. Die Straßen wurden geflutet. Das Wasser strömte die Adalbert-Stifter-Straße hinunter, floss über kaum nennenswert hohe Bordsteine über Hänge und Böschungen, drang in Wohnhäuser ein und überschwemmte Keller.
Zwar wird derzeit die Kanalisation in Wegscheid (ehem. Markt Wegscheid) erneuert. Laut Auskunft ist jedoch keine Erneuerung der Kanalisation im Bereich Adalbert-Stifter-Straße, Mühlgasse und Ameisbergstraße geplant. Bei einer Überprüfung wurden keine Schäden festgestellt, daher ergäbe sich kein Handlungsbedarf. Bezüglich Überschwemmungsrisiko verweise man auf die Eigenverantwortung der Hausbesitzer. Schreiben vom 21.09.2021
Dennoch ist es mehr als ärgerlich, dass die Gemeinde seit vielen Jahren kein Gespräch mit den Hauseigentümer*innen und Mieter*innen in den betroffenen Hanglagen gesucht hat, es versäumte, sich über die Häufigkeit von Überschwemmungen konsequent zu informieren und Schritte zur Abhilfe schuldig blieb. Fallweise Kanalreinigung ist eindeutig zu wenig.
Gesprächsweise erklärte Bürgermeister Lothar Venus, dass das durch den Klimawandel verursachte Überschwemmungsrisiko Angelegenheit der Hausbesitzer*innen sei und sich die Gemeinde nicht gefordert sähe. Gespräch vom 17.09.2921
Bordsteine sind zu niedrig und werden überspült
Das Video zeigt die Situation nachdem das Gewitter schon fast vorbei und der Starkregen bereits im Abklingen war. Man kann sich unschwer vorstellen, dass es am Höhepunkt deutlich kritischer zuging. Eindrücklich, wie das Wasser über die Straße schießt und den Bordstein überspült. Wären die Bordsteine nicht drei Zentimeter, sondern 15 Zentimeter hoch gewesen, so wären manche Keller trocken geblieben. Hier zeigt sich ein deutlicher Handlungsbedarf der Gemeinde.
Eine zügige Erneuerung und Neudimensionierung ist erforderlich
Nachdem die Schellmann Unternehmensgruppe zügig und nach Baubeginn binnen 18 Monaten das für die Siedlung sehr groß dimensionierte Seniorenzentrum fertigstellen will, kann sich die Gemeinde nicht allzu viel Zeit für die technische Bemessung der Kanalsdimensionierung und gegebenenfalls Erneuerung nehmen. Denn bereits mit fortschreitender Versieglung des Baugeländes, der Verschmutzung der Straßen durch die Baufahrzeuge und Baustellenverkehr steigt das Überschwemmungsrisiko bei den Nachbarn enorm an. Nun könnten Hauseigentümer*innen, die bislang nie Probleme mit überschwemmten Kellern hatten, davon ebenfalls betroffen sein. (Bei gleicher Niederschlagsmenge)
Effektives Regenwassermanagement ist sicherzustellen
Die Gemeinde kann das Regenwassermanagement für die enorme versiegelte beziehungsweise verdichtete Bodenfläche nicht der Schellmann Unternehmensgruppe freihändig überlassen. Hier ist sicherzustellen, dass das Oberflächenwassermanagement auf Kosten der Bauherrin (nicht zulasten der Gemeinde) effektiv erfolgen wird. D.h. es wäre sicherzustellen, dass kein Oberflächenwasser in die Kanalisation abgeführt werden wird. Sollte das nur teilweise gelingen, so wäre die Schellmann Unternehmensgruppe an den Kosten des Kanalausbaus maßgeblich zu beteiligen. Wer an so einer exponierten Hanglage mit einem Gefälle von bis zu 11 Meter baut, muss wissen, dass hier eigene Anforderungen zu bewältigen sind. Es bleibt zu hoffen, dass die Interessen der Nachbarn in den Abstimmungsgesprächen zwischen Bauwerber und Gemeindeverwaltung Wegscheid entsprechend berücksichtigt werden.
Informell ist bekannt geworden, dass die Gemeinde der Schellmann Unternehmensgruppe Rahmenbedingungen für die Bebauungen mitgeteilt hat. Über diese Rahmenbedingungen wird allerdings keine Auskunft gegeben.
Unabdingbar ist, dass diese Verhandlungen mit der Schellmann Unternehmensgruppe transparent und öffentlich nachvollziehbar geführt werden.
Die Eigenverantwortung der Hauseigentümer
Zweifellos gibt es eine Verpflichtung der Hauseigentümer selbst Vorsorge zu treffen, damit das Haus gegen Überschwemmung, Kanalrückstau uns so fort geschützt ist: abgesicherte und aufgekantete Kellerschächte mit zusätzlichen Ablussmöglichkeiten, Rückflussventile, gegebenenfalls druckdichte Kellerfenster et cetera. Hier gibt es, je nach Gefährdungslage, mehrere Möglichkeiten das Haus vor eindringendem Wasser zu schützen.
Es ist gerade in Hanglage naheliegend, das Wasser umzuleiten, das heißt es links und rechts am Haus vorbei weiter den Hang hinunter fließen zu lassen. Das schützt zwar das eigene Haus, reicht das Problem aber an weiter hangabwärts gelegene Häuser weiter.
Keinesfalls kann die Gemeinde ihre Aufgabenlast auf die Eigenverantwortung der Hauseigentümer*innen abwälzen. Die Gemeinde ist in die Pflicht zu nehmen. Sofern sie dieser Pflicht nicht nachkommt, wäre sie bei Überschwemmungen im Zuge von Schadensersatzklagen und Regressionsansprüchen der Versicherungen in die Pflicht zu nehmen.
- Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.): Leitfaden Starkregen – Objektschutz und bauliche Vorsorge. Bürgerbroschüre, 2. Aufl., Köln 2019 - Download Link
- Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (Hrsg.): Hochwasserschutzfibel. Objektschutz und bauliche Vorsorge. Berlin 2018 - Download Link
1 webmention
Webmention von: wegwinkl.genba.org Besucher
https://wegwinkl.genba.org/fehlende-buergerbeteiligung-markt-wegscheid
Bürgerbeteiligung geht anders – im Markt Wegscheid, so hat es den Anschein, legen weder Bürgermeister Lothar Venus noch der Gemeinderat Wert auf Bürgerbeteiligung. Selbst Informationen werden spärlich gegeben. Man will das Immobilienprojekt der Schellmann Unternehmensgruppe nicht gefährden.
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